Mein Lieblingskäse ist der Butterkäse. Einfach, günstig und schmeckt nicht schlecht.
Mit dem und einigen wenigen Gewürzen, wie Zucker, Salz und Pfeffer, bin ich bisher immer gut in der Küche ausgekommen. Doch nun habe ich Atina kennengelernt. Sie ist ein kleiner Gourmet, zumindest im Vergleich zu mir.
Ich wollte sie anfangs noch in meine Lieblingspommesbude einladen, aber als ich ihr vorschlug Pommes futtern zu gehen, erklärte sie mir nur, dass es Pommes-Frites heißt. Wenn man nur Pommes sagt, lädt man jemanden auf Äpfel ein. Als ich sie daraufhin auf Fritten einladen wollte, meinte sie, dass man vieles frittieren kann.
Ja, so ist sie. Ich wusste, ich konnte bei dieser Frau nur punkten, wenn ich selber etwas kochte; oder zumindest fertigstellte. Nach einigem Hin- und Herüberlegen fragte ich sie, ob ein Salat nicht etwas Passendes wäre. Auf den Gedanken, dass sie annehmen könnte, ich halte sie für dick, kam ich gar nicht. Er war Gott-sei-Dank auch unbegründet, denn Atina war mit Salat einverstanden.
So ließ ich mir von meinem Vater sein super einfaches Spezial-Rezept für einen Fruchtcocktailsalat geben und verabredete mich mit Atina zum Wochenende.
Am Donnerstag besorgte ich mir die folgenden Zutaten:
– eine grüne Gurke
– eine rote Paprika
– ein roter Apfel (zumindest süß und nicht zu hart)
– eine kleine Dose Mais
– eine kleine Dose Mandarinen
– eine große Dose Früchte-Cocktail und
– 400 Gramm Fleischsalat (mit Mayonnaise)
Die Zubereitung, mit der ich dann am Freitagabend begann, war denkbar einfach. Gurke, Paprika und Apfel waschen und würfeln – lange hatte ich früher überlegt, wie ich Etwas würfeln kann, denn die Äpfel und Paprika rollten zwar gut, aber sie fielen auf keine Seite und die Gurke konnte man nur werfen… bis ich dann verstand, worauf das Rezept hinaus wollte – , in kleine Stücke schneiden und in eine große Schale geben. Die Dosen öffnen und den Inhalt samt Fruchtwasser in dieselbe große Schale geben. Zuletzt kommt der Fleischsalat dazu und dann wird alles ordentlich eine Minute lang durchgemischt und über Nacht im Kühlschrank ziehen gelassen. Fertig war der Fruchtcocktailsalat.
Ich legte mich also gut vorbereitet schlafen, als ich irgendwann in der Nacht eine SMS erhielt. Ich war zu müde um auf den Empfänger zu schauen, der es wagte mich zu stören und so las ich die SMS von meiner Atina erst am nächsten Morgen:
„Hi Stefan. Freue mich schon auf deinen Salat. Da ich zurzeit ganz auf Fleisch verzichten will, passt mir das auch super. Bin dann morgen um 13 Uhr bei dir. Freu mich!“
Ich freute mich, dass sie sich auf meinen Salat freute. Zumindest solange bis mir schlagartig klar wurde, dass ich Fleisch in meinem Salat hatte. Sofort sprang ich aus dem Bett, machte mich etwas frisch und wollte schauen, was noch zu retten war.
Der gut gekühlte und gut durchgezogene Salat war von oben bis unten voller kleiner Fleischbratstückchen. Ich fing an diese Stückchen aus dem Salat rauszupuhlen. Nach einer halben Stunde gab ich auf. Die ganze Hand schon voller Fleisch, befanden sich trotzdem noch hier und da Fleischstückchen im Salat. Ich wusste, ich würde ein-zwei Stückchen mindestens übersehen und dann würde Atina mir den Hals umdrehen.
Nein, so geht das nicht. Ich schmiss die Fleischstückchen wieder in die Schale, die Schale in den Kühlschrank und die Kühlschranktür schmiss ich einfach zu. Während mir die Zeit davonflog, grübelte und grübelte ich.
Gegen 10 Uhr hatte ich es dann: ein neues Gericht musste her und somit auch ein neues Rezept.
Ich lief zu meinem Laptop, tippe ins Suchfeld ein: „Rezept, vegetarisch, einfach, schnell, lecker“ und erhielt ein Rezept für eine Zucchinisuppe. Ich hatte zwar noch nie eine Zucchinisuppe oder überhaupt eine Suppe ohne Maggi und Knorr gemacht, aber ich hatte nicht die Zeit mir weitere Rezepte rauszusuchen.
Alles was ich zusätzlich noch brauchte, waren drei Zucchini, Knoblauch und Sahne. Also ab zum Einkaufen in den örtlichen Lebensmittelladen. Noch nie hatte ich Zucchini oder Knoblauch eingekauft, aber ich wusste, wonach ich suchen musste: Zucchini sind so dicke Gurkendinger und Knoblauch so kleine weiße Zwiebeln. Naja und Schlagsahne kennt man ja von Torten und Eis.
Auf dem Weg zur Kasse gehe ich am Couscous vorbei und denke mir, warum man dieses Wort nicht eingedeutscht hat in „Küsse“. An der Kasse zeigte sich meine Lieblingskassiererin erstaunt über meinen Einkauf, der ausnahmsweise nicht aus den üblichen Fast-Food-Produkten bestand und fragte mich, was ich denn vorhätte. Ich teilte ihr wahrheitsgemäß und etwas stolz mit, dass ich eine Zucchinisuppe kochen wollte.
Ein respektvolles: „Cool!“ bekam ich als Antwort. „Aber warum kaufst du dann Auberginen?!“ Etwas verdattert schaute ich erst sie und dann meine rot-braun-lilanen Zucchini an. Die waren ja gar nicht gurkengrün! Ich konnte sie dann noch schnell umtauschen gehen, bezahlte und ging dann etwas verlegen nach Hause. Die sahen aber auch echt ähnlich aus.
Noch zwei Stunden bis Atina bei mir klingeln würde. Das sollte doch mehr als genug Zeit sein für so eine doofe Suppe. Sofort breitete ich alles in meiner Küche aus, schaute aufs Rezept und legte los.
„60 Gramm Butter in einem großen Topf schmelzen und eine Zwiebel glasig dünsten.“
Ich stellte also meinen größten Topf auf die größte Herdplatte und gab 60 Gramm abgewogene Butter hinzu. Diese wurde auch schnell flüssig. Da ich keine Zwiebelstücke mochte, hatte ich auch keine im Haus. Dafür besaß ich Zwiebelpulver. Ich verabreichte also der Buttersoße einen ordentlichen Schuss Zwiebelpulver und rührte es ein bisschen unter. Und das ohne durch lästiges Zwiebelschneiden weinen zu müssen. Soweit so gut.
„Dann eine Knoblauchzehe sowie die Zucchini dazugeben und etwas dünsten; anschließend mit Mehl bestäuben.“
Knoblauch. Es gab eine Zeit da verband ich damit nur Vampire und Mundgeruch. Nun ist diese Zeit zwar schon einige Wochen her, doch mit Knoblauch habe ich trotzdem noch nie in der Küche gearbeitet. Eine Knoblauchzehe. Hat Knoblauch ein Bein, einen Fuß und eine Zehe? Der Geruch kommt zumindest den von Käsefüßen ziemlich Nahe. Da ich keine Knoblauchpresse besaß, puhlte ich also so ein Knob-Lauch auf, holte eine Zehe heraus, puhlte auch diese wie eine Zwiebel ab, schnitt diese in kleine Scheiben und gab sie in den Topf.
Als nächstes nahm ich die Zucchini, wusch sie kurz unterm Wasserhahn und legte sie dann in den Topf. Es passte leider nur die eine rein, dann war der Topf quasi voll. Da keine Zeitbegrenzung im Rezept stand, wollte ich sie nach fünf Minuten wenden, doch da war die eine Seite schon schwarz angebrannt. Hektisch nahm ich den Topf von der heißen Herdplatte. Nun hieß es kühlen Kopf bewahren und nachdenken. Irgendetwas stimmte nicht.
Zuerst überlegte ich, ob man die Seite mit dem Mehl überdecken kann. Ich nahm erstmal die schwarz-grüne Zucchini aus dem Topf mit der heißen Zwiebelbutter, sah sie mir genau an und kam zu dem Schluss, dass man leider wirklich nur noch die Rückseite verzehren kann. Also schnell mit dem Messer die schwarze von der grünen Seite abgeschnitten und wieder in den Topf. Die schwarze Seite flog in den Bioabfall.
Da ich beim zweiten Versuch schon nach einer Minute die Zucchini wendete, brannte sie auch nicht an und ich konnte Biene Maja spielen und bestäubte die Zucchini mit Mehl. Was ist das eigentlich für ein Ausdruck: „Mit Mehl bestäuben“? Ich ließ einfach etwas Mehlschnee vom Himmel fallen, freute mich über den Anblick den man als Miniwesen von dieser Zucchini aus haben müsste und las das Rezept weiter.
„Mit 625 ml Brühe ablöschen und ca. 15 Minuten köcheln lassen.“
Es brannte zwar Gott-sei-Dank noch nichts, was ich löschen musste, doch nahm ich die schon vorbereitete Gemüsebrühe und schüttete sie in den Topf zur halben Zucchini und ließ die Suppe auf der Platte. Wo nun der genaue Unterschied zwischen kochen und köcheln liegt, weiß ich nicht, aber ich ließ die Brühe leicht blubbernd hinter meinem Rücken, während ich weiter aufs Rezept schaute.
„Dann alles pürieren.“
Ich dachte gerade noch an ekeliges Kartoffelpüree, als mir klar wurde, dass weder Püree noch Porree gemeint war. Einen Pürierstab besaß ich nicht und die harte Zucchini mit Gabel und Löffel zerdrücken, wie zuerst geplant, konnte ich auch nicht. Mist. So kurz vor dem Ziel gescheitert?
Mist. Mist. Mist. Mist. Ein kurzer Blick auf die Uhr brachte mir die Erkenntnis, dass in einer Stunde Atina auf der Matte stand. Ich musste handeln. Der Nachbar! Sofort stürmte ich raus in den Treppenflur und klingelte Sturm bei Herrn Zug. Nach gefühlten Ewigkeiten kam er dann im Schlafanzug an die Tür. Nach kurzer Unterredung, was ich denn überhaupt wollte, meinte er kopfschüttelnd, er hätte keinen Porreestab, aber er wüsste, dass Frau Mayer aus der ersten Etage einen hätte. Noch im Runterlaufen, bedankte ich mich artig und eine Sekunde später klingelte ich auch schon bei Frau Mayer. Diese gute Frau, Mitte 80, brauchte auch gefühlte Stunden: Zuerst versuchte sie es an der Haustürsprechanlage. Von dort konnte sich natürlich keiner melden, da ich ja vor ihrer Wohnungstür stand. Erst als ich klopfte, verstand sie und öffnete die Tür.
Ich schilderte ihr extra langsam und extra laut und aufs Wesentliche konzentriert, was ich von ihr wollte:
„Hallo. Frau Mayer. Ihren Pürierstab. Bitte. Ausleihen!“
Glücklicherweise verstand sie sofort was ich von ihr wollte und ging in die Küche. Ich hörte sie dort etwas hantieren und wartete ungeduldig. Während ich wartete, zählte ich die Karos auf meiner Hose. Als ich damit fertig war (122 Stück – Nur vorne), hatte ich noch immer keinen Pürierstab, aber in der Küche war es ruhig. Ich rief ihren Namen und ging vorsichtig in die fremde Wohnung. Nichts. Ich war nun soweit in die Wohnung gegangen, dass ich in die Küche schauen konnte. Und da saß Frau Mayer auf einem Küchenstuhl und machte ein Nickerchen. Vor ihr auf dem Tisch stand der Pürierstab. Ich ging wieder zurück zu ihrer Wohnungstür und klingelte sie wach. Frau Mayer eilte so schnell es ihre kleinen, alten Beine zuließen zur Tür und sah mich dort warten. „Ach ja!“ Sie ging zurück zur Küche und kam diesmal mit dem Pürierstab wieder, den sie mir feierlich überreichte.
Ich bedankte mich und versprach ihn bald wieder zurückzugeben. Dann rannte ich wieder hoch in meine Wohnung.
Was machte eigentlich meine Suppe? Oh Nein!!!! Es kochte oder köchelte mittlerweile solange, dass der ganze Inhalt des Topfes ungenießbar war. Ich öffnete das Fenster und ließ Luft in die Küche. Den Topf wiederum nahm ich mit zur Toilette, wo ich den Inhalt in den Abfluss kratzte.
Ich schaute auf die Uhr: Noch 15 Minuten, wenn Atina pünktlich ankommen sollte. So langsam wurde ich hektisch. Ich nahm einen neuen großen Topf, gab grobgeschätzte Butter, Knoblauch sowie Zwiebelpulver hinzu und stellte den Topf auf die warme Herdplatte. Die zwei noch vorhandenen Zucchini wusch ich und schnitt sie diesmal in kleine Scheiben. So wie man es schließlich auch von grünen Gurken her kennt. Ich sah zum ziemlich kleinen Pürierstab und schnitt die Scheiben in der Mitte auch noch mal durch. Dann wurde alles in den Topf gegeben. Auf diese Weise hätten es sogar vier Zucchini in den Topf geschafft. Na hinterher ist man immer schlauer. Dann noch etwas Mehl rüber gestreut und etwas umrühren. Die letzten Reste meiner Instant-Brühe wurden nun auch in 625 ml verbraucht. Auch diese schüttete ich in einiger Hast in den Topf und ließ die ganze Suppe fünf Minuten köcheln.
Fünf Minuten brauchte es nämlich bis ich mich hingesetzt, mit dem Pürierstab auseinandergesetzt, diesen unter Strom gesetzt und mit den Worten: „Das fetzt!“ verstanden hatte.
Ich nahm diesen Handmixer in meine rechte Hand, ging auf den Topf zu, rammte den Pürierstab in die Zucchini und verwandelte alles was noch irgendwie fest war in etwas Flüssiges. Ich kam mir leicht göttlich vor, als ich sah, dass es funktionierte. Der Inhalt sah nun wirklich aus wie eine Suppe.
Es war mittlerweile 13 Uhr. Atina war noch nicht da. Wie so viele andere Frauen verspätete sie sich gerne noch ein bisschen. Mein Rezept war aber auch noch nicht zu Ende:
„Einen Becher Sahne sowie etwas Milch hinzufügen und zum Schluss mit einer Prise Salz, Pfeffer und Muskatnuss abschmecken.“
Ich holte meine Schlagsahne heraus und gab etwa die Hälfte der Sprühdose in den Topf. Das sollte etwa ein Becher sein. Dann gab ich einen Schuss Milch hinzu und rührte alles mit dem Löffel um. Sogleich war die Suppe heller. Ich probierte und war fast begeistert. Man konnte sie wirklich essen. Salz war seltsamerweise genug in der Suppe vorhanden und Muskatnuss hatte ich dann doch noch vergessen zu kaufen. Also gab ich noch etwas Pfeffer hinzu, legte ein Stück Petersilie als Suppengrün oben drauf und war zufrieden.
Da klingelte es auch schon an der Tür. Eine zeitliche Punktlandung!
Zehn Minuten später saßen wir am Küchentisch und aßen beide zufrieden die Suppe.
„Stefan, du hast dich selbst übertroffen! Und ganz ohne Fastfood und Fleisch! So eine leckere Suppe habe ich noch nicht einmal im Restaurant gegessen. Gibst du mir später noch das Rezept für diese Brokkolisuppe?“

(2014)

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